C64 + KC85: Meine systemübergreifende Zuneigung

von Olaf Zimmermann

 

Die 1980er Jahre waren die Dekade der Heimcomputer. Millionen Menschen entdeckten in Ost und West die digitale Welt auf erschwinglichen 8-Bit-Maschinen. Für mich persönlich stehen zwei Computer stellvertretend für diese Epoche: der Commodore 64 (C64) und der Kleincomputer 85 (KC85). Zwei Rechner, die nicht nur technisch verschieden sind, sondern auch in zwei unterschiedlichen politischen und wirtschaftlichen Systemen entstanden.

Der Commodore 64 - Massenphänomen im Westen

Der C64 wurde im August 1982 auf der Consumer Electronics Show in Chicago vorgestellt und entwickelte sich rasch zum meistverkauften Heimcomputer der Welt (über 17 Millionen Geräte). Entwickelt wurde er bei Commodore International unter der Leitung von Jack Tramiel, der als Unternehmenschef das Projekt forciert hatte. Technisch entscheidend waren die Arbeiten von Robert Yannes (SID-Soundchip, MOS 6581) und Al Charpentier (VIC-II-Grafikchip).

C64

Seine wichtigsten technischen Daten:
  • CPU: MOS 6510, ca. 1 MHz
  • RAM: 64 KB
  • Grafik: VIC-II, 16 Farben, 320×200 Pixel, 8 Hardwaresprites
  • Sound: SID-Chip, 3 Stimmen mit Filtern und Wellenformen
  • Datenträger: Datasette oder Floppy 1541
Der C64 stand für westliche Konsumvielfalt: ein Massenprodukt, beworben in Kaufhäusern, unterstützt durch eine riesige Spiele- und Softwareindustrie. Er wurde Symbol für den Einstieg einer ganzen Generation in die Welt der Computer.
C64 mit dem Spiel Boulder Dash

 

Der KC85 - Ingenieurskunst unter Planwirtschaft

Der KC85 wurde ab 1984 in der DDR entwickelt und produziert, zunächst als KC85/2 und KC85/3, später ab 1987 als KC85/4. Hersteller war der VEB Mikroelektronik "Wilhelm Pieck" Mühlhausen. Die technische Basis bildete der U880, ein Z80-kompatibler DDR-Prozessor.

KC85

Technische Eckdaten:
  • CPU: U880 (Z80-Nachbau), 1,75 MHz
  • RAM: 64 KB (KC85/3), erweiterbar auf bis zu 256 KB (KC85/4)
  • Grafik: 320×256 Pixel, 16 Farben, blockorientiert
  • Sound: einfacher Pieptongenerator (kein dedizierter Soundchip)
  • Datenträger: Tonkassette, später auch Diskettenstationen
Der KC85 war technisch solide und durch ein modulares Bussystem erweiterbar. Er fand weite Verbreitung in Schulen, Pionierhäusern und Betrieben.
KC85/4 mit dem Spiel Digger

 

Spiele als Spiegel: Boulder Dash und Digger

Der Vergleich zweier Spiele auf dem C64 und dem KC85 verdeutlicht die Parallelen und Herausforderungen:
  • Boulder Dash (1984, First Star Software) - internationaler Hit auf dem C64. Flüssige Animationen, farbige Grafiken und eindrucksvolle Musik durch VIC-II und SID machten es zu einem Klassiker.
  • Digger - ein Spiel, das in der DDR auf KC85 und anderen Systemen als Nachbau (Klon von Boulder Dash) kursierte. Technisch einfacher umgesetzt, den technischen Möglichkeiten angepasst und trotzdem mit vielen kreativen Ideen.
Beide Spiele teilen die Idee von Gängen, Steinen, Schätzen und Taktik. Damit zeigen sie, dass Ideen keine Grenzen kannten, auch wenn die technische Umsetzung sehr verschieden war.

BASIC und die Schnittstellen zur Welt

Beide Systeme hatten BASIC als Einstieg:
  • C64: Commodore BASIC V2.0 (Microsoft-Dialekt), direkter Zugriff auf Speicher über PEEK und POKE, sehr beliebt für Spiele und Experimente. Über Userport und seriellen IEC-Bus konnte der C64 mit Druckern, Laufwerken, Modems oder Eigenbau-Schaltungen verbunden werden.
  • KC85: KC-BASIC und später BASIC-Interpreter unter CAOS. Auch hier war die direkte Speicherprogrammierung wichtig. Über den Modulbus konnten Erweiterungen wie Diskettenstationen, Interfaces oder selbstgebaute Geräte angeschlossen werden.
In beiden Fällen öffneten die Schnittstellen den Rechner zur Außenwelt: von blinkenden LEDs bis hin zu selbstgebauten komplizierten Steuerungen.

Nerds gestern und heute

In den 1980er Jahren waren es Jugendliche, die mit Lötzinn, Kassettenrekordern und viel Geduld ihre Rechner erkundeten - im Westen unterstützt durch Magazine wie 64'er oder Happy Computer, im Osten durch Zeitschriften wie Jugend und Technik oder AGs in Pionierhäusern.

Heute lebt diese Szene in einer weltweiten Retro-Community weiter. Nerds restaurieren ihre alten C64 und KC85, entwickeln moderne Erweiterungen wie SD-Karten-Laufwerke oder Internetadapter und tauschen sich auf Messen und in Foren aus. Sie verbindet die Faszination für die direkte, verständliche Technik und das gemeinsame Staunen darüber, wie viel künstlerisches Potential in 8-Bit-Maschinen steckte.

Fazit - Zuneigung über Grenzen hinweg

Der C64 und der KC85 verkörpern zwei Systeme - Kapitalismus und Planwirtschaft - und doch waren sie Träger derselben Leidenschaft. Ob mit sattem SID-Sound oder einfachem Piepston: Beide schufen Welten voller Spiel, Kreativität und Neugier. Meine "systemübergreifende Zuneigung" gilt daher nicht nur zwei Computern, sondern auch den Menschen, die sie damals wie heute mit Leben erfüllen. Alte Technik kann heute auch zur Brücke zwischen Ost und West werden. Besonders wichtig erscheint mir, dass die ingenieurtechnische Leistung beim Computerbau in der damaligen DDR deutlich mehr anerkannt werden sollte.

 

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